Da stöhnt das runde Leder
Zu den charmantesten Eigenschaften des Fussballs gehört es, dass er sich Vereinnahmungsversuchen von Wissenschaft und Kunst dauerhaft widersetzt. Bei Philosophen und Ethnologie-Studenten war Fussball einst so angesagt, dass sie scharenweise zur "teilnehmenden Beobachtung" in die Stadien einfielen - und sich dort auf der Suche nach Authentizität gegenseitig untersuchten, freilich ohne es gleich zu merken (Woher sollten sie auch wissen, wie sich ein Fussballfan von einem verkleideten Ethnologen unterscheidet). Inzwischen hat sich die Euphorie der Geisteswissenschaftler auch wieder gelegt.
Aber nun ist WM in Deutschland und da muss das Land der Dichter und Denker ein noch nie gesehenes Kulturprogramm auffahren. Alles kein Problem, wenn es nur nicht irgendwie auch mit dem kunstresistenten Fussball zu tun haben müsste. Also war die Bundesregierung zum Handeln gezwungen. Als bewährter Spezialist für peinliche Großveranstaltungen konnte André Heller gewonnen werden. Auch sonst wurde viel Geld rausgetan, damit dafür Kunst zurückkäme.
Und die kam ja auch. In Bochum wurde ein Fussball-Oratorium aufgeführt, eine einschlägige Oper soll noch von Robert Wilson und Herbert Grönemeyer kommen. Nun lässt mich der Gedanke an eine Arie, mit der Andy Möller (Mezzosopran, sich auf dem Boden wälzend) Strafstoß fordert, ebenso schmunzeln wie ein Rezitativ des Schiedsrichters (Bariton) über die Abseitsregel oder die wuchtige Halbzeit-Cavatine des Hans Meyer (Bass) - aber das wird's ja alles nicht und viel schlimmer: die meinen das ernst und wollen für solcherlei Machwerk intensiv bewundert werden. Da endet Simplicii Leidensfähigkeit dann doch.
Die von Franz Beckenbauer reicht deutlich weiter. So unbehaglich wie neulich auf dem Pressepodium zusammen mit André Heller und Otto Schily hat er sich bestimmt noch nie gefühlt. Jeden Moment hätte er aufstehen können und mit einem "Mei, is des a Schmarrrn!" eine weitere verblüffende Wahrheit gelassen aussprechen können. Hat er aber nicht, obwohl er sicher gern gewollt hätte. Der Franz ist halt ein Profi: auch in "Des Kaisers neue Kleider" fällt er nicht aus der Rolle.
Wo die darstellende Kunst derart souverän vorlegt, darf sich die bildende nicht lumpen lassen. In Berlin läuft zur Zeit die Ausstellung "Rundlederwelten", viele weitere sollen folgen. Manche Ideen sind ja auch ganz kauzig, etwa wenn Ingeborg Lüscher auf Staatskosten zwei Mannschaften in edlen Anzügen herumbolzen lässt.
Aber sonst bleibt die Erkenntnis, dass Kunst und Fussball einfach nicht zusammengehen. Das war auch schon vorher zu vermuten, denn ebenso selten wie man berühmte Künstler im Stadion sieht, trifft man Fussballprofis in Galerien und Ateliers an. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Günter Grass wäre kaum erfreut, wenn ihm einer wie Olli Kahn bei der nächsten Vernissage freundschaftlich die Pranke zwischen die Schulterblätter haut, und niemand hätte etwas davon, wenn Marcel Reich-Ranicki die letzten Michael Ballack Interviews einer literarisch-kritischen Würdigung unterzieht. Fussball ist wie ein gallisches Dorf inmitten der Wissensgesellschaft, eine glückselige Insel der Einfachheit in einer komplizierten Welt. Belasst es doch einfach dabei.
Nachtrag: Eine schöne Alternative zum teuren Kulturprogramm wäre es doch, mit dem Geld auch das Andere Finale nach Deutschland zu holen: Der Letzte der FIFA-Weltrangliste spielt gegen den Vorletzten. Im Moment wären das Amerikanisch-Samoa und Guam. (Der nette Hinweis auf das Other Final kam neulich von undundund)
Aber nun ist WM in Deutschland und da muss das Land der Dichter und Denker ein noch nie gesehenes Kulturprogramm auffahren. Alles kein Problem, wenn es nur nicht irgendwie auch mit dem kunstresistenten Fussball zu tun haben müsste. Also war die Bundesregierung zum Handeln gezwungen. Als bewährter Spezialist für peinliche Großveranstaltungen konnte André Heller gewonnen werden. Auch sonst wurde viel Geld rausgetan, damit dafür Kunst zurückkäme.
Und die kam ja auch. In Bochum wurde ein Fussball-Oratorium aufgeführt, eine einschlägige Oper soll noch von Robert Wilson und Herbert Grönemeyer kommen. Nun lässt mich der Gedanke an eine Arie, mit der Andy Möller (Mezzosopran, sich auf dem Boden wälzend) Strafstoß fordert, ebenso schmunzeln wie ein Rezitativ des Schiedsrichters (Bariton) über die Abseitsregel oder die wuchtige Halbzeit-Cavatine des Hans Meyer (Bass) - aber das wird's ja alles nicht und viel schlimmer: die meinen das ernst und wollen für solcherlei Machwerk intensiv bewundert werden. Da endet Simplicii Leidensfähigkeit dann doch.
Die von Franz Beckenbauer reicht deutlich weiter. So unbehaglich wie neulich auf dem Pressepodium zusammen mit André Heller und Otto Schily hat er sich bestimmt noch nie gefühlt. Jeden Moment hätte er aufstehen können und mit einem "Mei, is des a Schmarrrn!" eine weitere verblüffende Wahrheit gelassen aussprechen können. Hat er aber nicht, obwohl er sicher gern gewollt hätte. Der Franz ist halt ein Profi: auch in "Des Kaisers neue Kleider" fällt er nicht aus der Rolle.
Wo die darstellende Kunst derart souverän vorlegt, darf sich die bildende nicht lumpen lassen. In Berlin läuft zur Zeit die Ausstellung "Rundlederwelten", viele weitere sollen folgen. Manche Ideen sind ja auch ganz kauzig, etwa wenn Ingeborg Lüscher auf Staatskosten zwei Mannschaften in edlen Anzügen herumbolzen lässt.
Aber sonst bleibt die Erkenntnis, dass Kunst und Fussball einfach nicht zusammengehen. Das war auch schon vorher zu vermuten, denn ebenso selten wie man berühmte Künstler im Stadion sieht, trifft man Fussballprofis in Galerien und Ateliers an. Und das ist auch völlig in Ordnung so. Günter Grass wäre kaum erfreut, wenn ihm einer wie Olli Kahn bei der nächsten Vernissage freundschaftlich die Pranke zwischen die Schulterblätter haut, und niemand hätte etwas davon, wenn Marcel Reich-Ranicki die letzten Michael Ballack Interviews einer literarisch-kritischen Würdigung unterzieht. Fussball ist wie ein gallisches Dorf inmitten der Wissensgesellschaft, eine glückselige Insel der Einfachheit in einer komplizierten Welt. Belasst es doch einfach dabei.
Nachtrag: Eine schöne Alternative zum teuren Kulturprogramm wäre es doch, mit dem Geld auch das Andere Finale nach Deutschland zu holen: Der Letzte der FIFA-Weltrangliste spielt gegen den Vorletzten. Im Moment wären das Amerikanisch-Samoa und Guam. (Der nette Hinweis auf das Other Final kam neulich von undundund)
simplex - 16. Dez, 21:05