Dem unbekannten Junkie

Wenn man immer nur hektisch durch die Zeitungen blättert und lediglich aus dem Augenwinkel aufschnappt, wer oder was nun wieder mit welchem Preis geehrt wurde, dann kann es gelegentlich auch passieren, dass ein Junkie-Denkmal enthüllt wird. Nun hat uns die Berliner Gedenksport-Szene zuletzt schon einiges zugemutet, man zuckt mit den Schultern und denkt, gewiss, Drogenmissbrauch ist schon ein Problem, also weitergeblättert. Aber halt, zurückgeblättert: nee, siehste, falsch, das Denkmal im Wedding ist für Harald Juhnke. Na dann. Rückblickend ist es vielleicht auch gar kein so großer Unterschied.

Soundtracks zum Betriebssystem

Stoisch summt der Gehäuselüfter vor sich hin, während das Laufwerk von Zeit zu Zeit wie unter Fieberschüben aufheult. Kryptische Vollzugsmeldungen jagen über den Bildschirm, schneller als sie irgendjemand lesen könnte. Nur selten werden Eingaben erforderlich. Nach einer Stunde schlägt der erste Boot-Versuch fehl, und das Ganze beginnt von vorne.

Gut wenn einen die Tonträgersammlung in so schwierigen Situationen nicht im Stich lässt. Marc Andersons manische Tablas scheinen den kruden Rhythmus der vorbeihuschenden Systemmeldungen genau zu treffen, und Steve Tibbetts' verwinkelte Stromguitarre formuliert klagend Zweifel an der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns. Auch Momente des Innehaltens gibt es, vergleichbar mit den quälenden Minuten, die der Installer für die Feststellung braucht, dass partout kein DHCP-Server vorhanden ist. Eine Musik von ungeheuer hoher statistischer Dichte, wie ein langer, zäher Zustand, in dessen Verlauf unendlich viel Wichtiges geschieht - von dessen tieferer Bedeutung man allerdings ausgeschlossen scheint.

All diese erstaunlichen Parallelen machen Steve Tibbetts' 2002er Album "A Man About A Horse" zum perfekten Begleiter für eine Linux-Installation.

Wer ist Tadsylwine?

Asterix-DevotionalienHeute also ein neues Asterix-Heft. Ein Feiertag, immer wieder. Ich gestehe gern, dass ich zu einer objektiven Kritik völlig außerstande bin. Dazu haben mir vor allem die frühen Hefte viel zu viel Spaß gemacht. Zuallererst überprüfe ich deshalb immer, ob Uderzo sein stillschweigendes Versprechen auch diesmal einlöst, und das Piratenschiff auf möglichst phantasievolle Weise versenkt wird. Wird es? Es wird. Auf Seite 37 fällt eine Rakete mit Außerirdischen drauf. Da kann man erstmal nicht meckern.

Dass diesmal ein Anagramm verraten wird, ist dagegen schärfstens zu missbilligen. Wer also Tadsylwine selbst enträtseln will, sollte die Widmung auf der letzten Seite meiden.

Fernsehen zu Ende geguckt

Fast unbemerkt ist in der modernen Medienwelt etwas verlorengegangen: das Testbild, das man in den alten Zeiten zu nächtlicher Stunde andächtig betrachten durfte. Sinnbild der Beständigkeit, zuverlässig wie die Zeit selbst, immer zur Stelle, wenn man das Empfangsgerät justieren oder einfach nur kontemplatives Geflimmer betrachten wollte. Mit dem Testbild wurde der Fernseher zum Schrein, zum heimeligen Lagerfeuer in einer hektischen Welt, zum tröstend warmen Kamin bis zur Wiederaufnahme des Programmgeschehens am nächsten Morgen. Ein Kulturgut ersten Ranges, dessen Erinnerung für die Nachwelt bewahrt werden muss.

Zum Glück tut das jetzt jemand. Ein Testbildmuseum.

Gebäudebegehung

Bei Hulesch & Quenzel kam heute der Vermieter mit einem Bauexperten vorbei. Dass unsere Geschäftsleitung im Frühjahr voreilig die Fenster zumauern ließ (wegen angeblich drohender Windows-Lizenzgebühren), haben sie noch nicht vergessen, und da wollten sie doch mal nach dem Rechten sehen. Unter den Mitarbeitern hob gleich ein lautes Klagen über den schlimmen Zustand der Räume an. Zwei Kolleginnen hören ständig den neuverlegten Fußboden knacken, und wenn sich der Bauleiter nicht schnell in Sicherheit gebracht hätte, hätten sie ihm noch vorwurfsvoll ihre Schuhabsätze hingehalten und sich über die Stimmen beschwert, die immer aus den Steckdosen kommen.

Ergebnis ist jedenfalls, dass in allen Etagen die Netz- und Telefonkabel neu verlegt werden sollen. Unser Geschäftsführer wollte noch möglichst schnelle und saubere Bauarbeiten heraushandeln, wurde vom Bauleiter aber mit der Bemerkung ausgekontert, man werde bei dieser Bausubstanz um Sprengungen kaum herumkommen. Bauleute können so kaltschnäuzig sein.

Herzbruch ist eine Segnung

Große Heiterkeit verursachte mir gerade Danko Jones' Zeile "I need a woman like I need a hole in my head": mindestens ein solches Loch im Kopf wird er allein zum Singen gebraucht haben (er steckt ja auch gerne die Zunge durch), zwei weitere, um sich das Resultat anzuhören. Das mit den Metaphern üben wir nochmal...

Die Wissenschaft hat festgestellt...

Der IgNobelpreis holt das nach, was dem richtigen Nobelpreis an Unterhaltungswert fehlt. Die Liste der Preisträger ist auch in diesem Jahr wieder beeindruckend. Prämiert wird u.a. die Untersuchung, ob der Mensch in Sirup oder in Wasser schneller schwimmen kann (Chemie). Die Erfinder künstlicher Hunde- und Katzenhoden heben das Selbstbewusstsein kastrierter Haustiere (Medizin), und ein neuentwickelter Wecker, der lärmend wegrennen und sich verstecken kann, wird künftig die Arbeitsleistung heben (Wirtschaft). Der Literaturpreis geht diesmal an die hochkreative Szene der eMail-Abzocker aus Nigeria. Außerdem geht es um explodierende Hosen und um Heuschrecken, die Star Wars gucken. Lesenswert.

Talking with the aliens about poetry

                                                   

"you're not an ape
you're not a parrot
you're not a slow loris
or a smart missile
you're human"

aus Human Beings von Adrian Mitchell


Die britische Poetry Society möchte ein Gedicht in den Weltraum schießen, um Außerirdischen eine Vorstellung vom Menschsein zu vermitteln. Ob das per Web-Poll ausgewählte Werk von Adrian Mitchell dafür geeignet ist, darf aber durchaus bezweifelt werden. Vielleicht gibt es klingonisches Liedgut, das aussagekräftiger ist: Zarkov, Kagran, übernehmen Sie. Ansonsten könnten auch Douglas Adams' bekannte Zeilen unserem Planeten zur Ehre gereichen: "Oh zerfrettelter Grunzwanzling..."

Das Boxenluder: ein Nachruf

Die Formel 1 ist für dieses Jahr entschieden, aber so richtig zufrieden kann wohl niemand sein. Nicht mal wegen der blamablen Leistungen der Deutschen, auch nicht wegen der RTL-Werbeschikanen (durch die alleine sich die Massen künftig wieder mehr dem Minigolf zuzuwenden dürften). Nein, es fehlt immer mehr der spezielle F1-Appeal, die es bis in die 80er hinein noch gegeben hat. Da waren die Fahrer Kerle mit Koteletten, risikobereit bis zur Idiotie, Playboys durch und durch, Horden von Frauen überall, und wenn nach dem Rennen die Kameras abgeschaltet wurden, ging im Fahrerlager die Post ab. Nichts genaues, aber man hörte so einiges.

Heute beobachten wir in Watte gepackte Familienväter beim gelangweilten im-Kreis-fahren, die nach dem Rennen zum Kamillenteeschlürfen in ihren Motorhomes verschwinden, einer professioneller und konzentrierter als der andere. 10 Stunden vor und nach dem Rennen wird der gesamte Umkreis der Rennstrecke abgefilmt und live übertragen, und wenn die Kameras dabei wider Erwarten einen Rockzipfel erhaschen können, dann gehört er meist Verona Dingsda, die irgendein blödes Produkt bewerben muss. Und falls nicht, schreien alle Skandal und Boxenluder. So kann sich natürlich kein Exzess entfalten. Und liebe Bildzeitung, das B-Wort habt ihr leider erst erfunden, als die Spezies fast ausgestorben war, und jetzt ist es zu spät. Schade eigentlich, denn die Formel 1 hat inzwischen nicht mehr Sex-Appeal als ein Stapel LKW-Reifen.

Manche sagen es liegt an den Namen. Wenn man schon mal Fahrer wie Jackie Ickx, Emerson Fittipaldi oder Jody Scheckter hatte, dann fällt es freilich schwer, Leute wie "M. Schumacher" und "den Ralf" in den Rang von Rockstars zu erheben - egal wie schnell sie fahren, das ist für wirkliche Faszination eher Nebensache.

Man hört ja auch, dass sich immer mehr Frauen dafür interessieren, über Gummimischungen und Aerodynamik zu diskutieren. Vielleicht liegt es ja daran, dass aus einem komplett irrationalen, von ein paar durchgeknallten Wahnsinnigen betriebenen Männersport ein durchdachtes familientaugliches Nachmittagsprogramm geworden ist.

Ich persönlich denke ja, dass es an den Koteletten liegt. Spätestens seit mit Heinz-Harald Frentzen der letzte Backenbartträger unter den Fahrern das Feld verlassen und obendrein geheiratet hat, ist die F1 zu der sterilen Populärwissenschaft geworden, die sie jetzt ist. Jede Ära hat eben die Sportarten, die sie verdient.

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