Aus der Tiefe des Blaus

Die Filmkritik steckt in einer tiefen Sackgasse. Viel zu lange haben sich oberflächliche Journalisten ein Urteil über Produktionen erlaubt, deren Einzelbilder sie jeweils höchstens 0,05 Sekunden lang betrachtet haben, wie das heute bei einer Filmvorführung leider üblich ist. Kann man ein Werk bei so flüchtiger Betrachtung überhaupt richtig erfassen? Behandeln Kunstkritiker eine Picasso-Ausstellung ähnlich hektisch? Natürlich nicht.

Professor Rombes aus Detroit ist der erste, der das erkannt hat. Konsequent beschreitet er neue Wege und analysiert in seinem Blog David Lynchs "Blue Velvet" - und zwar jedes Bild einzeln, etwa drei Bilder pro Woche. Mehr nicht, da sonst die Ernsthaftigkeit des Vorhabens leiden würde. Momentan arbeitet er an der Analyse des 28. Bildes, das wie die 27 vorangehenden einen unverändert tiefen Blauverlauf darstellt.

Der Versuchung, die nächsten 200 Frames zu überspringen (bis ein weißer Vogel durchs Bild fliegen wird), widersteht der Wissenschaftler tapfer: Schon im Jahre 3030 könnte auf diese Weise eines der ambitioniertesten und visionärsten Projekte der Filmgeschichte abgeschlossen sein, und da sollte man sich nicht von ein paar Monaten voller erhabener blauer Abstraktion in die Knie zwingen lassen. (via faz)

Nachtrag: Die anderen lesen auch in der faz. Endlich postet der Kutter wieder, noch mehr Blau bei New Filmkritik, halbschatten, filmz und chriskoeln.
mark793 (Gast) - 24. Sep, 14:02

Hm,

ich bin nicht sicher, ob die Filmkritik auf diesem Wege aus ihrer Sackgasse herauskommt.

Vielleicht hätte der Professor erst mal mit einer Fernsehkritik starten sollen - 30 Folgen "Twin Peaks" hätten ihn auch ne Weile beschäftigen können...

simplex - 24. Sep, 21:09

... und wenn das nicht reicht, könnte er auch jeden Pixel isoliert betrachten. Das würde Voreingenommenheit verhindern und neue Zusammenhänge ermöglichen.

Mich fasziniert auch eher die verzweifelte Kühnheit unseres Forschers. Er hat dabei etwas von Wowbagger, dem Unendlich Verlängerten aus "Per Anhalter durch die Galaxis": Der nahm sich aus Ärger über seine unfreiwillige Unsterblichkeit vor, jedes fühlende Wesen im Universum persönlich zu beleidigen - in alphabetischer Reihenfolge. Wenigstens hatte er genug Zeit dazu...
mark793 - 24. Sep, 22:38

Aber hallo!

Der Vollständigkeit halber sollte man die Einzelframes von Filmen auch rückwärts analysieren - auf diese Weise käme der Professor womöglich versteckten Botschaften auf die Spur.
simplex - 25. Sep, 22:50

Eine streng zufällige Reihenfolge der Frames könnte die Abstraktion zusätzlich steigern. Weiterhin sollte aus Gründen erhöhter Wissenschaftlichkeit von einer Kontrollgruppe analysiert werden, die den jeweiligen Film noch nie gesehen hat.

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