Simplex komplex

                                                   

"Um komplexe Probleme zu lösen, müsste man sie genau studieren - nicht an der Universität, sondern in Wirklichkeit! Von der Wirklichkeit wissen wir wiederum gar nicht, was sie ist. Verschwenden Sie also keine Zeit damit. Versuchen Sie erst gar nicht, komplexe Probleme zu lösen. Arbeiten Sie nicht, tun Sie nur so als ob."

(nur einer von 13 unentbehrlichen Hinweisen)


Endlich entschlüsselt: das bisweilen kryptische Führungsverhalten des Geschäftsführers von Hulesch & Quenzel. Gerüchteweise hört man, dass sich auch andere Manager gewissenhaft an die "13 Tipps für den falschen Umgang mit Komplexität" halten, eine Handreichung der österreichischen Privatgelehrten Maria Pruckner. Deren Veröffentlichungen über Managementkybernetik lassen sich auf Pantoffeltierchen und Marketingabteilungen gleichermaßen anwenden, und sind auch sonst unterhaltsamer als das meiste, was ich so über Organisationslehre lesen musste. Wer gezwungen ist, viel Zeit bei sinnentleerter Erwerbstätigkeit in schwer beschädigten sozialen Systemen zuzubringen, der erhält von Frau Pruckner wenigstens tröstende Aufschlüsse darüber, warum das alles nicht funktioniert.

Teenage Kicks

Teenager können ganz schön nerven. Oft wünscht man sich, dass sie gerade jetzt ganz woanders wären. Und dafür gibt es jetzt eine elegante technische Lösung. Einst sollte das damals gerade neu entdeckte Phänomen, dass man etwa nur bis zum zwanzigsten Lebensjahr gewisse hochfrequente Töne vernehmen kann, für Klingeltöne genutzt werden, die der Lehrer im Klassenzimmer nicht hört. Schön und gut, aber Howard Stapleton hatte noch eine bessere Idee. Seine Mosquito-Teenager-Scheuche penetriert das juvenile Gehör so nachhaltig, dass die unerwünschten Adoleszenten flugs das Weite suchen. Hier kann man sie kaufen.

Matti der Libero

                                                   

"Die Todesstrafe ist abgeschafft."

Art. 102 Grundgesetz

"Die Dreierkette ist auch abgeschafft."

Art. 102a Grundgesetz
(Entwurf Matthias Sammer)


Kaum ist der Klinsi weg, da schlägt der DFB-Apparat auch schon zurück. Per Dekret soll jetzt bundesweit das 4-4-2 System festgeschrieben werden. Berichtet gestern die Bildzeitung, und die hat es von Sportdiktatordirektor Sammer. Es wird auch Zeit, dass andere Saiten aufgezogen werden: Schließlich ist der Erfolg des deutschen Fussballs durch die überall herumlungernden Liberos akut gefährdet. Sportpolitische Sprecher aller Fraktionen wetteifern bereits, wer den ersten Gesetzentwurf zur Ächtung der Dreierkette einbringen darf. Trainern, die in Zukunft ohne Viererkette angetroffen werden, drohen drakonische Strafen. Persönlichkeiten, die früher einmal auf der Libero-Position spielten, von Franz Beckenbauer bis Olaf Thon, sollen öffentlich ihrem Irrglauben abschwören und eine Ehrenerklärung zum 4-4-2 System abgeben.

Schön dass sich mal jemand darum kümmert. Man versteht kaum noch, wie der DFB bis vor kurzem ohne Sportdirektor auskommen konnte.

Von Ameisen und Bäumen

                                                   

"Sobald der Wald gerodet wird, geht es vor allem um die Bäume. Wenn die Ameisen dann niemanden stören, dürfen sie bleiben wo sie sind."


Ich schätze die buddhistische Herangehensweise des Kollegen B. an betriebswirtschaftliche Fragestellungen sehr. Ob sie allerdings eine vollwertige Strategie gegen die anstehenden Umstrukturierungen bei Hulesch & Quenzel werden kann, ist noch völlig offen.

They ain't makin' gov'nors like Kinky anymore

Wenn ich Texaner wäre, ich hätte Kinky Friedman gestern bestimmt zum Gouverneur gewählt, schon allein wegen des schönen Wahlkampf-Slogans "Why the hell not?". Warum auch nicht? Wenn in Kalifornien ein österreichischer Schauspieler durchgeht, können die Texaner doch einen jüdischen Country-Sänger haben, noch dazu einen mit so schönen Songs wie "Proud to be an asshole from El Paso" - und der für die Homo-Ehe mit den Worten eintritt, "sie sollen sich genauso unglücklich fühlen dürfen wie wir."

Dass der Kinkster dann erstaunlicherweise doch nur vierter geworden ist, lag nach den ersten Blitzanalysen nicht einmal an seinem für amerikanische Verhältnisse befremdlichen Wahlprogramm (Umweltschutz! Soziales! Bildung!). Es gab vielmehr ein echtes Kommunikationsproblem, weil er sogar seinen zahlreichen Anhängern immer wieder erklären musste, dass seine Kandidatur durchaus kein Witz sei und sie ihn tatsächlich wählen sollen.

Die Tiere sind unruhig

                                                   

"Jetzt ist ja der nervöse Molch da. Soll aber den adretten Erpel nicht ersetzen, der ist wohl noch stabiler. Kannst ihn aber trotzdem aufspielen, nimm aber bloß nicht live, nur alternate, sonst zersägt er Deinen MBR. Ich warte vielleicht lieber auf das agile Rehkitz, da drücken die neuen Features dann endlich auf die Applikationen durch."


Ich meine, Tendenzen dafür zu erkennen, dass sich die Kunstsprache der Linuxer irgendwann vollständig von allen anderen Idiomen dieser Welt einschließlich Esperanto abtrennen wird. Langsam wird sie sich von der Erdkruste lösen, in zähen Spiralbewegungen der Fliehkraft der Erdbewegungen folgen, um ein paar Jahre später ins Weltall geschleudert zu werden. Die Tiere, die gleich verbalen Sternzeichen regelmäßig in den Versionsbezeichnungen des schönen Ubuntu-Linux auftauchen, spüren das instinktiv schon jetzt und verhalten sich entsprechend überreizt. Gerade ist Edgy Eft erschienen.

Die Magie der getragenen Socken

                                                   

"Ein Beispiel für einen magischen Paradigmenwechsel wäre es, zuerst ein Ritual aus dem Necronomicon und anschließend einen Runenzauber durchzuführen. Diese zwei magischen Paradigmen sind voneinander sehr verschieden; während der Chaosmagier jedoch eines von ihnen verwendet, ist er von diesem vollkommen überzeugt. Das beinhaltet, dass alle jeweils anderen magischen Paradigmen (die sich häufig gegenseitig ausschließen) in diesem Moment ignoriert werden. Diese Technik hat seither ihren Weg in die magische Arbeit von Anhängern vieler anderer magischer Traditionen gefunden. (...) Getreu der Vorstellung, dass alles Bedeutung und magische Kraft besitzen kann, gibt es chaosmagische Rituale um so verschiedene Konzepte wie die Farbe Oktarin (siehe: Scheibenwelt), getragene Socken oder Harpo Marx."

Ich wusste gar nicht, dass ich so ein großer Magier bin: Allein heute vormittag habe ich die chaosmagischen Konzeptrituale "verpasste U-Bahn", "Socken tragen", "auf die Regierung schimpfen" und "in Hundedreck treten" ausgeübt, einschließlich Paradigmenwechsel, versteht sich. Das Zitat ist ein Ausschnitt aus dem wunderbar durchgeknallten Wikipedia-Eintrag zum Stichwort Chaosmagie. Nicht mal Kreationisten und Yogi-Flieger zusammen könnten soviel irres Zeug auf einmal zusammentragen. Bitte schnell ansehen, Wikipedia soll neuerdings ein Qualitätsmanagement eingerichtet haben, mit dem einzigen Zweck, genau solche Artikel möglichst schnell zu finden und zu löschen. (via Zarkov)

Der Empörialismus darf niemals siegen

Es wird immer klarer, wir leben in einer Empörungsgesellschaft. Gerne sind wir bereit, uns umfassend und flächendeckend aufzuregen. Sehnsüchtig lauern wir mit gespitzten Ohren auf die kleinste Provokation, um endlich Entrüstung zeigen zu können. Grenzen gibt es praktisch keine. Es macht auch Spaß, sich über Aufgeregtheiten (wie etwa diese) selbst aufzuregen, und damit eine hübsche Meta-Ebene zu erklimmen.

Es gibt aber auch Anlässe genug, wenn man nur genau genug hinschaut. Nehmen wir zum Beispiel die Gemüseschändungen der gestrigen Nacht. Allerorten wurden grundlos Kürbisköpfe eingeschlagen, ausgehölt und obszön illuminiert. Einige der Schlächter ließen sich sogar noch in aufreizender Verkleidung mit den verstümmelten Überresten ihrer Opfer ablichten. Scham, Schande! Selbst ihre Kinder haben sie dabei zum Mitmachen angestiftet. Ermutigt durch solch unerhörtes Betragen terrorisierten die minderjährigen Täter wiederum die Nachbarschaft, getrieben von niederer juveniler Gier nach Süßigkeiten. Und das Schlimmste: da steckt ja gar keine geistliche Idee dahinter. Da hat Empörungs-Bischof Huber ja so recht.

Gegen die Natur

                                                   

"Wie er sagte, hat die Natur ausgedient; sie hat durch die abstoßende Eintönigkeit ihrer Landschaften und ihrer Himmel die aufmerksame Geduld der Kenner endgültig erschöpft. (...) Und um schließlich jenes ihrer Werke gebührend zu würdigen, das als das erlesenste angesehen wird, jene Schöpfung, deren Schönheit, nach Meinung aller, ihre ursprünglichste und vollendetste ist, die Frau: Hat denn nicht der Mensch ganz allein ein belebtes und künstliches Wesen verfertigt, das unter dem Gesichtspunkt der plastischen Schönheit reichlich ebensoviel wert ist? Gibt es hienieden ein Wesen, empfangen in den Freuden der Unzucht und hervorgegangen aus den Wehen einer Gebärmutter, dessen Muster, dessen Ausführung blendender, glanzvoller wäre als jene der beiden Lokomotiven, die für die Nordeisenbahn in Betrieb genommen wurden?"

Joris-Karl Huysmans, Gegen den Strich, 1884


Yo, MC Huysmans feilt am Style. Sich in nur einem Absatz zur Erz-Nemesis von Umweltschützern, Feministen, Kreationisten und Romanisten aufzuschwingen (letzteres wegen des überkünstelt gedrechselten Satzbaus), war wohl wirklich 1884 zum letzten Mal möglich. Mach' mal nach, Eminem! - Das Bildungssystem unserer Gesellschaft hat ansonsten schon allein deshalb versagt, weil es mir die Existenz dieses merkwürdigen Büchleins viel zu lange vorenthalten hat.


                                                   

"Von der längst abgewickelten Ich-AG ist offensichtlich nur die Marketingabteilung übrig geblieben, aber die macht dafür jetzt richtig Alarm."

Anton Waldt in de:bug 107, 2006


Dass sich de:bug neben vielem auch als Magazin für Selbstbeherrschung ausgibt, ist leider nicht bloß putzig, sondern hat auch Methode. Ich beklage im aktuellen Heft einen erschreckenden Mangel an Bereitschaft zu Dekadenz, Idiolatrie und Maßlosigkeit, die sich angesichts des großen Heftthemas "Pimp Generation" (meint Selbstdarstellung) doch so aufgedrängt hätte. Ich geißele dies und verlange, die Prinzipien von hypochondrischer Schöpfungsverachtung und krankhaft verfeinertem Geschmack endlich auf die künstlichen Paradiese des Web2.0 anzuwenden. (Oder sollte meine Wahrnehmung durch den Umstand getrübt sein, dass ich am Wochenende abwechselnd in de:bug und Huysmans gelesen habe?)

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der vergessene Diktator - 18. Okt, 06:50

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